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Leseprobe: Renew me

Kapitel 2

Ein kräftiger und pulsierender Druck auf ihre Brust, verriet Melissa, dass sie nicht mehr weit weg von ihrem Ziel war.
Am Flughafen in Philadelphia wurde sie von einem Wagen abgeholt. Mit dabei, ein Fernsehteam. War ja irgendwie klar. Sie fragten sie um Erlaubnis sie zu Filmen, um das Eintreffen nicht später noch einmal nachdrehen zu müssen. Unangenehm war es ihr definitiv, aber wenn sie das Durchziehen würde, wären diese Leute ständig um sie herum, also warum nicht gleich?
Sie unterschrieb die Einverständniserklärung, nachdem sie diese gelesen hatte, und stieg in den dunklen Wagen.
„Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, wie es sein wird?“ Eine kleine rothaarige Mitarbeiterin sah sie freundlich an. Melissa spürte ein feines Zittern in ihren Händen und presste die Finger fest ineinander. „Nein, nicht wirklich. Ich möchte mir das Konzept genauer erklären lassen und was ich tun muss, ehe ich mich da mental komplett darauf einlasse.“
Die Augen ihres Gegenübers strahlten. Verständnisvoll nickte sie und machte sich Notizen. „Werde ich immer und überall gefilmt?“ Melissas Pupillen weiteten sich, sie hoffte auf eine zufriedenstellende Antwort. „Nun, wir werden immer wieder Mal beim Sport dabei sein, das haben wir für einen Tag im Monat festgelegt. Die Vorstellung, Untersuchung und die Gespräche, werden alle von uns begleitet. Später allerdings berechtigterweise geschnitten.“ In Mels Hals wuchs ein Kloß, das war eine Menge. „Werde ich mich öffentlich Wiegen müssen?“ Das Team hörte die Unsicherheit und das Zittern in der Stimme. Einer der Männer, die den Kameramann unterstützten, legte seine Hand auf ihr Handgelenk. „Ja, mindestens 4 Mal. Die Ärzte werden dich bei der Untersuchung Wiegen, für den vorher/nachher Vergleich und um das Programm auf dich abzustimmen. Dein Trainer wird dich auch darum bitten, damit er ebenfalls die Werte hat und das Training auf dich abstimmen kann. Dann wird es nach sechs Monaten ein Wiegen geben, um das Zwischenergebnis zu erfahren, da findet auch noch einmal eine große Untersuchung statt. Und dann am Ende des Jahres, für das Endergebnis!“
Der Blonde hielt plötzlich ihre Hand, um sie zu beruhigen.
Er hatte sie einfach mit Du angesprochen, aber das war okay, so fühlte sie sich irgendwie besser. Zögernd schoben sich ihre Mundwinkel nach oben. Aber wirklich glücklich war sie damit nicht.
Vor einem Bürogebäude hielt der Wagen an und Melissa wurde mit laufender Kamera durch die Glastür begleitet. Es war ein sehr großer, heller Raum, mit Sitzgelegenheiten, einem Empfang mit zwei Mitarbeiterinnen und vielen Pflanzen und Blumengebinden. Auf der rechten Seite befand sich der Fahrstuhl, aus dem gerade mehrere Leute ausstiegen. Ein hochgewachsener Mann, mit schwarzen Haaren, wahrscheinlich dunklen Augen und einem netten Lächeln auf den Lippen. Neben ihm lief eine etwas kleinere, blonde Frau, auf hohen absetzten, einer weißen Hose, weißem Blazer und pinkem Seiden Top. Sie hatte leicht gefärbte Lippen, dezent geschminkte Augen und großwellige lange Haare. Sie unterhielten sich angeregt und lachten miteinander. Hinter ihnen tauchte eine kleine, quirlig wirkende Frau auf, die Telefonierte und die Arme mit Papieren beladen hatte. Melissa konnte nicht verstehen, was sie sagte, aber es schien, als wäre sie arg im Stress. Kaum hatte die Blondgesträhnte, Melissa entdeckt, lächelte sie und schien erleichterter als noch Sekunden zuvor.
„Hallo Melissa? Ich bin Jenna, wir haben geschrieben.“ Sie reichte Melissa die Hand. Kurz wischte Mel ihre an ihrer Jeans ab, sie befürchtete feuchte Hände vor Aufregung. „Hallo Jenna, schön dich kennenzulernen.“ „Keine Angst, wir sind alle ganz nett, wir beißen nicht!“, zwinkerte Jenna und steckte ihr Telefon in die Hosentasche. „Darf ich dir unsere Moderatoren vorstellen? Sie werden dich in der Liveshow begrüßen, zwischendurch besuchen und die finale Show mit dir machen.“ Sie deutete auf die beiden, vor ihr aus dem Fahrstuhl ausgestiegenen Personen und winkte diese gleichzeitig zu sich. „Das sind Melody Sanders und Peter Menderez. Das ist Melissa Keller, unsere Kandidatin.“ Die Begrüßung der beiden war erstaunlich herzlich und Mel verspürte keinerlei Panik und ihr Gegenüber schien nicht arrogant, was sie endlich entspannen ließ. „Melissa, ich freue mich, dass du dich entschieden hast, ein neues Leben zu beginnen! Wir werden versuchen, dir zu helfen, dich Unterstützen und wenn es ein Problem geben sollte, sind wir immer erreichbar!“ Melody hielt Melissas Hand zwischen ihren und tätschelte sie etwas. „Ja genau. Du kannst jedem aus dem Team eine E-Mail schreiben oder Jenna aus dem Schlaf reißen!“ Peter lachte laut auf, als er Jennas entsetztes Gesicht bemerkte.
„Wie dem auch sei, ich zeige dir jetzt erst einmal unser Büro und den Raum, in dem Dr. New dich untersuchen wird.“ Jenna nahm Melissa eingehakt und führte sie zum Aufzug. „Dr. New?“ Irritiert fragte sie bei Jenna nach. Diese kicherte und entschuldigte sich direkt. „Sorry, wir nennen ihn alle Dr. New. Er heißt Dr. Hank Newman. New ist einfach ein Spitzname, weil er aus unglücklichen, übergewichtigen Menschen neue Menschen macht.“ Ihre Zähne leuchteten durch das breite Lächeln und entlockte Melissa ebenfalls ein Schmunzeln. „Werde ich sie alle vorab kennenlernen oder erst, wenn ich wirklich starte?“ Jenna sah zu ihr hoch und suchte ihre Augen. „Du bist dir noch nicht sicher, stimmts?“ Mel schüttelte den Kopf. „Nein ich habe keine Ahnung, ob ich das schaffe.“
Und plötzlich platzte es aus ihr heraus. „Ich meine, ich will das alles schon nicht sehen und nun soll ich es einer ganzen TV-Welt zeigen? Ich weiß nicht, ob ich will, dass eine ganze Nation weiß, wie ich unter diesen Stoffen aussehe.“ Gerade fingen ihre Stimmbänder erneut an zu zittern und ehe sie anfangen würde zu heulen, stoppte sie ihre in Worte gefassten Gedanken und räusperte sich kurz. Verlegen blickte Jenna um sich, schnappte immer Mal wieder nach Luft und überlegte. „Ich überlege mir etwas, okay?“ Ihre Stimme war leise und beruhigend. Melissas grüne Augen sahen die kleinere genau an, versuchten herauszufinden, ob sie es gut mit ihr meinte, oder auch nur für Einschaltquoten verkaufen würde. Sie sah ehrlich aus, aber das war es auch, wie sollte sie einen ihr fremden Menschen richtig oder falsch einschätzen? Ihre Menschenkenntnis war zwar nicht schlecht, im Gegenteil, sie war sogar sehr gut, aber gerade ging ihr der Arsch einfach nur auf Grundeis.
„Danke!“, flüsterte sie ihr trotzdem zu und folgte ihr dann ohne jedes weitere Wort über die Flure des dritten Stocks. „Hier vorne haben wir den auffang, wenn du herkommst, wirst du hier von Mary oder Tim empfangen und kannst dann auf den Sitzgelegenheiten Platz nehmen. Hier treffen sich alle Besucher und Kunden.“
An einem Tresen mit Glasplatte stand eine Frau, mittleren Alters, mit kurzen schwarzgrau melierten Haaren und gestellloser Brille. Neben ihr saß ein Mann, er schien noch sehr jung zu sein. Er war blond, hatte graublaue Augen und etwas längeres Deckhaar, auf rasierten Seiten. Beide lächelten kurz, als Jenna und Melissa an ihnen vorbeigingen. „Hier vorne ist das Büro von Dr. New und daneben im Durchgangszimmer, werden die Belastungstests gemacht. Mein Büro ist am Ende des Ganges rechts und gegenüber sitzt unser Therapeutenteam. Für dich haben mir Dr. Tony Peterson ausgesucht. Direkt daneben, sitzen die Ernährungsberater. In deinem Fall Alexandra Jones. Für den sportlichen Teil haben wir Sportler und Trainer für uns gewinnen können, die auch ein Studio zur Verfügung haben.“
Melissa sah sich mit großen Augen um. Zwischen all den Türen gab es einen fast schon abgerundeten Flur, in dem Sessel und Tische standen. Davon abgehend, fand man die Toiletten und die Büros des Teams. An einer Seite führte ein kleinerer Flur zur Feuertreppe und neben dem Geräteraum, zum Büro des Kamerateams.
„Oben in der vierten Etage sitzen die Produzenten, Drehbuchautoren, die wir hier auch brauchen, damit der Ablauf in die Sendezeit passt. Außerdem gibt es noch viel mehr Formate auf unserem Sender. Die Chefs sind ebenfalls oben zu finden. Unsere Moderatoren werden hauptsächlich in den Aufnahmestudios auftauchen.“ Sie öffnete ihr Büro und bat Melissa, sich zu setzen. „Ich habe deinen Vertrag hier, wenn du möchtest, kannst du ihn mitnehmen oder gleich lesen und Unterschreiben.“
Vor ihren Augen tauchte ein mehrseitiger Vertrag auf. Ihr Magen drehte sich in sämtliche Richtungen und ihr Puls raste. Zittrig nahm sie das Papier und blätterte grob durch. „Ich … Ich werde es im Hotel lesen. Ich kenne mich damit aus, ich bin PR und Werbeberaterin.“
überrascht sah Jenna sie an. „Ach, das ist ja interessant! Vielleicht können wir uns irgendwann Mal darüber unterhalten.“ Sie lächelten sich zu und Jenna bot ihr eine Flasche Wasser an. „Wir gehen nachher gemeinsam zum Mittagessen und danach lernst du das Team kennen, das dich ein Jahr begleiten wird, einverstanden?“ Nickend sah Melissa sie an. „Erfahre ich dann auch, mit wem ich Sport machen muss? Davor habe ich am meisten … Angst.“ Ein Kichern kratzte aus ihrem Hals, was sie direkt mit Wasser hinunterspülen wollte. „Da hat jeder Angst! Selbst ich hätte das.“ Zwischen ihren Unterlagen, die Wild auf dem Tisch lagen, suchte sie die Papiere. „Irgendwo habe ich den Namen, ich bin ehrlich, ich habe nicht drauf gesehen und bin selbst noch unwissend. Die Entscheidung ist auch erst, vor ein paar Tagen gefallen muss ich gestehen, denn er wusste wohl selbst nicht, ob das was für ihn ist und ob das zeitlich passt. Aaaah, da ist der Umschlag. Er hat aber wohl seine Schüler gut eingeteilt und konnte zusagen.“
Langsam zog sie die Papiere heraus. Melissa konnte erkennen, dass eine Art Lebenslauf mit mittelgroßem Foto beiliegend war und der Vertrag, den er unterschrieben hatte. Jenna sah sich das Foto an und eine Augenbraue rutschte sekundenschnell nach oben. Es funkelte kurz in dem grau ihrer Augen, ehe sie fett grinste und Melissa ansah.
„Ja herzlichen Glückwunsch! Für dich hätten wir dann den ehemaligen Wrestler und nun Ausbilder, Chris Cooper.“
Das Bild tauchte vor ihr auf und Melissa versuchte, das Gesicht zuzuordnen. Er sah gut aus, genau ihr Typ! Sie kniff die Augen zusammen und versuchte, sich zu erinnern, und dann kam es. Scheiße ja! Mark, Zoes Ehemann war großer Wrestling Fan und hatte schon in Deutschland, oft kämpfe mit ihm gesehen. Sie nahm das Bild und sah es genauer an. „Ich kann mich doch vor ihm nicht zum Horst machen! Hätte es nicht ein Max Mustermann sein können?“ Jenna lachte laut auf. „Melissa, er weiß doch, worum es hier geht und genau deshalb will er ja mitmachen! Er will dir helfen!“ „Ja großartig, das hilft mir gerade nicht wirklich. Du hast doch eben selbst Stielaugen bekommen! Wie soll ich mich da Konzentrieren?“
„Vielleicht fällt es dann ja leichter?“ Nun lachten sie beide.
„Und wann wird Chris hier auftauchen? Oder wie läuft das an sich überhaupt ab?“ „Warte kurz.“ Jenna schnappte sich das Telefon und tippte eine Nummer. „Ich frage Mal eben nach. Hey Judy, du sag Mal, wann kommt denn unser Trainer? Chris Cooper, wie ich eben erfahren habe. Ja ich habe den Umschlag gerade erst geöffnet, sorry. Unsere Kandidatin ist hier und da würde es sich ja anbieten.“ Mehrfach nickte und brummte sie in den Hörer. Melissa hingegen, starrte immer wieder auf das Bild. Fuck! Ausgerechnet so ein Exemplar von Mann musste sie trainieren. Das letzte Mal einen Mann in ihrer Nähe hatte sie, kurz nachdem sie hergezogen war, aber das war auch nur so eine Nullnummer. Sie verlor sich in den Augen auf dem Foto und ging in ihrem Kopf durch, wie sie sich bestmöglich verkaufen konnte, ohne zum Vollidiot zu mutieren.
„Er wird dich nicht verurteilen Melissa!“ Wie durch einen Schleier hatte sie eine Stimme wahrgenommen und nur „Mhm“, gebrummt. Erst als Jenna anfing zu lachen, schreckte sie hoch. „Was ist?“ „Och nichts. Fängt nur schon gut an!“, deutete sie auf das Foto, das noch immer vor Mel auf dem Tisch lag. Direkt schoss ihr die Hitze in die Wangen. Peinlich berührt sah sie die Blonde an. „Kein Grund, rot zu werden!“
„Ich habe … Ich habe nur überlegt, wie ich das alles durchstehen soll.“ Melissa stolperte über ihre Worte und wurde immer unsicherer. Auf dem Bild konnte man nur die breiten Oberarme sehen, weshalb sie auf das Original, mehr als gespannt war. Aber warum dachte sie denn nun an so etwas? Das war ihr Trainer! Der Mann, der ihr in den Arsch treten und sie trainieren würde. Ein Jahr lang, würde sie kämpfen und schwitzen, wie ein Tier und er würde dafür sorgen. Oh je. „Also Melissa, Chris wird heute nicht auftauchen, du kannst also aufatmen. Sobald du den Vertrag unterschrieben hast, werden wir mit dir einen Termin vereinbaren, zu dem wir uns erneut treffen. Dann werden wir die Untersuchung machen. Allerdings kannst du, wenn du möchtest, bereits mit deinem Therapeuten reden und ihn kennenlernen. Bei dem Starttermin wird Chris dann anwesend sein und mit dir eine Probestunde machen, ehe er deinen Plan ausarbeiten kann. Ach übrigens, müssten wir dann auch wissen, ob du ein Jahr in Davenport beziehungsweise ein Ort weiter wohnst oder einmal im Monat hinfliegst. Chris hat in Davenport seine Unterrichtsräume, würde dann aber auch zu abgesprochenen Terminen, zu dir fliegen. Boston, richtig?“ Melissa nickte. „Ja ich lebe in Boston. Ich kann es euch nicht sagen, da ich erst seit über einem Jahr hier in Amerika lebe und arbeite. Ich kann nicht sofort ein Jahr freinehmen, das muss ich abklären!“ Jenna kannte das Problem. „Vielleicht mit Home-Office?“ „Das hat meine beste Freundin auch vorgeschlagen, ich werde Mal nachfragen. Hin und her fliegen wollte ich eigentlich nicht. Aber zwei Appartements kann ich auch nicht zahlen.“ Jenna zog eine Akte aus der Schublade. „Musst du nicht! Wir haben drei Wohnungen, in denen ihr wohnen könnt. Es gibt noch zwei andere Teilnehmer. Die Wohnungen liegen in der Nähe der Trainingsräume und Filmstudios. Wir müssen es nur rechtzeitig wissen, denn Chris, muss sich auch darauf einstellen!“ Melissa steckte den Vertrag ein und bekam die Keycard für das Hotelzimmer. „Ein Fahrer wird dich überall hinfahren, du musst ihm nur Bescheid sagen. Hier hast du seine Nummer.“ Jenna reichte ihr eine Karte und stand dann auf. „Aber nun lass uns Mal mit dem Team essen gehen. Und bitte mach dir keine Gedanken! Du musst jetzt nicht auf einem trockenen Salatblatt herumkauen. Das Essen ist bestens zusammengestellt. Gute Fette, viel Eiweiß, Gemüse, Salat, Fisch oder Fleisch in sehr hoher Qualität. Das Menü ist abgestimmt aufeinander und du kannst es ohne Reue komplett essen, auch den Nachtisch!“
Das Augenrollen lächelte Jenna weg und ließ Melissa schmunzeln. Nun ging es los, sie hatte den ersten Schritt in ihr neues Leben getan und war gespannt, wie es weiterging.

MaLa

Mala Fauerbach

Autorin und alleinerziehende Mutter mit AuDHS.

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