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Leseprobe: Renew me

Kapitel 3

„Zoe, ich habe mir jetzt eine Woche Zeit genommen, um darüber nachzudenken und ich weiß immer noch nicht, ob ich das machen soll! Das Mittagessen mit dem Team war … es war komisch! Ich habe mich unwohl gefühlt und beobachtet. Dieser Dr. Newman war wirklich nett und auch der Therapeut scheint in Ordnung zu sein, aber diese Jones, ich weiß nicht, ob ich mit der warm werde!“
„Mel, nun komm schon. Du hast im Büro schon ganz andere Leute geschafft, dann bekommst du das auch noch hin! Und diese Jenna, scheint ja wirklich nett zu sein und dir helfen zu wollen. Abbrechen kannst du das Ganze doch immer noch, wenn du merkst, dass es nicht das Richtige für dich ist oder die menschlich absolut unerträglich sind.“
Ein Brummen hallte ins Telefon. Melissa wusste ja, dass sie jederzeit aufhören konnte. Nur die Wohnungsgeschichte würde sie wohl anders lösen. Sie konnte zwar ins Home-Office gehen, aber das Appartement, das man ihr geben wollte, war nicht mehr Bestandteil des Vertrages. Also musste sie dort in einem Hotel übernachten, wenn sie bei Chris vor Ort war, und er müsste nach Boston fliegen, um sie zu besuchen. „Außerdem würdest du deine spezial Stunden mit Chris nicht bekommen!“, fügte Zoe ganz bewusst noch hinterher. „Zoe, er ist Trainer und wird mich quälen, warum soll ich das gut finden?“ „Ich habe gegoogelt, der ist genau dein Typ, also erzähl das wem anderes!“ Sie lachte über ihre Freundin und Melissa musste nun auch schmunzeln. Irgendwie hatte sie ja recht.
Zum x-ten Mal las sie sich den Vertrag durch. Es gab keinen Haken, alles war rechtlich sicher und auch für sie gab es keine Nachteile. Sie konnte weiterarbeiten, würde also kein Geld verlieren. Sie bekam Flüge und Fahrservice bezahlt und sollte sie nach Davenport fliegen, um dort mit Chris zu trainieren, würden sie die Hotelkosten übernehmen. Sie wurmte nur der Abschnitt, in dem aufgeführt wurde, dass der Sender die Folge ausstrahlen dürfte, wann und sooft sie wollten. Nach Rücksprache mit ihrem Anwalt wollte er das zwar noch einmal ansprechen, aber es war eine Option, die sich alle Sender offenhielten und daran könne sie nicht wirklich etwas ändern. Jenna hatte sich zwischendurch immer Mal bei ihr gemeldet und schien wirklich keine bösen Absichten zu haben. Sie hatte ihr sogar die Möglichkeit verschafft, sich nicht ohne Shirt Wiegen oder zeigen zu müssen.
Für die vorher/nachher Bilder, sollte sie dann ein, Sport Outfit anziehen, das nicht schlabberte, um den Körper besser zu erkennen.
Nun saß sie mit dem Vertrag vor sich und einem Kugelschreiber in der Hand am Küchentisch und setzte immer wieder an. Ihr ging alles durch den Kopf. Das Gespräch mit Zoe, ihre Selbstzweifel und der Hass, den sie fühlte, wenn sie sich im Spiegel sah. Das Leid, wenn sie wieder gegessen hatte und das Wochenende in Philadelphia, an dem sie erfahren hatte, wie dieses Jahr ablaufen würde. Sie scrollte durch ihr Handy und fand zwischen ihren Fotos, das Bild, das ein ehemaliger Kollege mal von ihr gemacht hatte. Er hatte sie dort in ihr Wunschgewicht verschlanken lassen.
Sie fühlte sich hübsch und war glücklich, wenn sie es sah. „Okay! Chris, mach mit mir, was du willst, ich werde den Kampf gewinnen!“ Voller Überzeugung schwang sie den Kugelschreiber über das Papier und hinterließ ihre Unterschrift.

Hallo Melissa,

ich freue mich, dass du dabei bist! Der Vertrag kam gerade an und ich habe mich mit dem Team verabredet, um einen Termin zu finden. Ich melde mich, sobald wir einen festgelegt haben.
Liebe Grüße Jenna
Nun war es offiziell, sie würde ins Fernsehen gehen und sich in den USA zeigen, so wie sie war. Ebenso musste sie sich neu einkleiden, denn in ihren verbeulten Hosen, wollte sie nicht zum Sport gehen oder bei den Gesprächen auf der Couch sitzen. Ihre Businesskleidung war zu overdressed und die Jeans nichts für Sport und Bewegung.
Mit dem Laptop auf dem Schoß saß sie in ihrem Bett, im Fernsehen hatte sie sich eine DVD eingeschaltet, in dem es um die Karriere von Chris ging.
Die hatte sie sich von Mark geliehen, nachdem Zoe ihr freudestrahlend davon erzählt hatte.
Zwischen Sporttights, Tops, Shirts und Sport BHs, sah sie immer wieder über den Desktop in das Fernsehen. Der war tatsächlich nett anzusehen. Die Untertreibung des Jahres! Nett, wem wollte sie das denn erzählen? Der Mann war genau ihr Fall! Aber da ein Mann wie er, sich niemals für sie interessieren würde, musste sie sich keine Gedanken machen, wie sie Eindruck schinden konnte, es wäre sinnlos. „Ich bin ich und keine Schauspielerin oder ein Model. Öfter als einmal im Monat werde ich ihn sicherlich nicht sehen!“, murmelte sie und scrollte weiter.
Eine Stunde später, war sie 350 $ ärmer, aber zufrieden. Zumindest bis die Sachen da waren und sie sie anprobieren müsste. Neben sich auf dem Bett lag ein Block mit einer selbsterstellten To-Do Liste. Dort hakte sie Kleidung ab und kringelte Friseur ein. Etwas aufhübschen konnte ja nicht schaden.

„Zoe, ich habe in den letzten Tagen, mehrere hundert Dollar ausgegeben. Für was mach ich das denn überhaupt?“ Ihre beste Freundin grinste in ihren Coffee Cup. „Du willst dein Leben ändern, es verbessern. Und mit viel Glück, endlich auch einen Mann finden, der dich liebt.“
„Aber ich bezweifle, dass dies der richtige Weg ist. Keine Ahnung, ich werde schon wieder viel zu unsicher.“ Schweißtropfen bildeten sich auf ihrer Stirn, sie war kurz vor einer Panik Attacke. Schnell hob sie die Hand nach der Kellnerin, die sich lächelnd auf den Weg machte. „Kann ich ihnen etwas bringen?“, sah sie Melissa fragend an. „Ja, ich hätte gerne ein Stück Strawberry Cheesecake und einen Latte Macchiato, danke schön!“
Zoe wartete, bis die Kellnerin weg war, und lehnte sich dann zu ihrer Freundin vor. „Und das ist jetzt die Lösung? Du hast jetzt einen Monat durchgehalten, dich toll ernährt, Sport getrieben und keine Attacken gehabt. Und nun, weil du weißt, dass du morgen nach Philadelphia fliegst, bekommst du Schiss und frisst dir die Panik für wie lange? 5 Minuten weg?“ Genervt rollte Mel die Augen. Ja sie hatte recht, aber das war es nun mal, was sie jetzt brauchte und da konnte Zoe sagen, was sie wollte. Dieses Stück Kuchen würde sie nun genießen.
„Würdest du morgen mitkommen? Ich würde gerne deine Meinung hören, über das Ganze.“ Das Thema musste gewechselt werden und Angst hatte Melissa tatsächlich. Das war Tag X, sie würde Gespräche führen, Chris kennenlernen und persönlich erwartete sie abwertende Blicke und Worte. Sie wusste nicht Mal warum, aber so war es schon immer gewesen. Egal wen sie getroffen hatte, jeder hatte Vorurteile oder Ekel. So stellte sie es sich zumindest vor, denn den Ekel empfand sie ja selbst auch.
„Tut mir leid, ich habe die Endabnahme mit einem Kunden.
Der kommt persönlich vorbei und ich kann ihn nicht vertrösten.
Da wirst du allein durchmüssen. Aber du wolltest ja auch ein Jahr dort wohnen, da wäre ich auch nicht dabei gewesen.“ Genau das wollte Melissa nicht hören, sie hatte auf Unterstützung gehofft. „Außerdem Schätzchen, was soll ich da machen? Du wirst untersucht, machst Sport und hast Gespräche, da kann ich nicht mit. Ich würde im Hotel oder einem Café sitzen und mich langweilen. Du kannst das allein viel besser, als du gerade glaubst!“ Melissa schaufelte das Stück Kuchen in sich hinein und dachte an den Tag, der vor ihr lag. Laut schnaufte sie auf. „Du hast recht Zoe, da muss ich allein durch!“

Am Flughafen wurde sie von dem Tontechniker, der bei ihrem ersten Besuch ihre Hand gehalten hatte, abgeholt. „Hallo Melissa, schön, dass du wieder da bist. Heute bin ich dein Fahrer, der andere holt gerade Chris ab.“ Lächelnd hielt er ihr seine Hand hin. „Ich bin übrigens Will, beim letzten Mal hatte ich keine Gelegenheit dazu mich vorzustellen, verzeih.“
„Hallo Will, danke fürs Abholen. Ich hätte dich beim letzten Mal ja fragen können, aber da war ich noch nervöser als jetzt. Es hätte also nichts gebracht.“ Will nahm ihren Koffer und deutete zur Tür. „Ich stehe verbotenerweise auf dem Lieferanten Parkplatz, also lass uns beeilen.“
Mit weichen Knien betrat sie wenig später das Gebäude. Will lief wenige Schritte vor ihr und ließ den Aufzug kommen.
„Ich bringe dich zu Jenna, bis die anderen alle angekommen sind, also ganz ruhig. Die Höhle der Löwen ist noch geschlossen.“ Er meinte das vielleicht witzig, aber ihr war gerade nicht nach Lachen zu Mute und ein toller Vergleich, um sie aufzumuntern, war es auch nicht.
Auf dem Weg nach oben, schloss sie die Augen und stellte sich alles in Rosarot vor. Nette Gespräche, ein schneller Erfolg und ein Leben als schlanke Frau. Ein leichtes Schmunzeln zierte ihr Gesicht, bevor der Aufzug hielt und sie in die Realität zurückgeholt wurde. Es war wie ein Filmriss, ehe sie die Augen wieder öffnete. Will streckte den Arm aus und hielt an sie vorzulassen. Nervös stieg sie aus und lief den Korridor entlang, bis zur Glastür, die zum Büro führte. Am auffang vorbei, ging sie direkt zu Jennas Büro. Diese saß telefonierend am Schreibtisch und lächelte, als Melissa die Tür öffnete.
„… wir sind dann in 10 Minuten oben, danke schön! Hallo Melissa, gut, dass du da bist, Mr. Gibson erwartet uns gleich. Er möchte dich kennenlernen, außerdem muss ich ihm die Unterlagen der Teilnehmer vorbeibringen. Magst du noch etwas trinken?“ Melissa schüttelte den Kopf. „Nein danke, sonst muss ich zu oft auf die Toilette.“ „Kenn ich. Und, bist du schon aufgeregt? Dein Tag ist total ausgebucht heute.“
Jenna legte ihr den Tagesplan vor und druckte gleichzeitig die Weiteren aus, die sie mitnehmen musste. „In die tragen wir dann ein, wann du, mit wem Gespräche führst und wann du deine Sporteinheiten hast. Nächste Woche bekommst du dann von allen einen Plan per E-Mail, den sie extra für dich zusammenstellen. Du müsstest allerdings heute sagen, wo du das erste Halbjahr sein wirst, damit sie wissen, welche Räumlichkeiten, ihnen zur Verfügung stehen.“
Melissa sah sich den Tagesplan an und nickte, den Worten von Jenna zu. „Ich denke, ich bleibe in Boston, zumindest das erste halbe Jahr. Wenn ich mich umentscheiden sollte, werde ich das vorher mit ihnen besprechen. Nur macht es, denke ich, keinen Sinn da jetzt umzuziehen.“ „Würde ich auch nicht, gebe ich dir recht. Wir haben allerdings viele Kandidaten, die das bevorzugen, weil es für sie einfacher ist.“
„Also habe ich jetzt, wenn wir uns alle kennengelernt haben, die ersten Gespräche mit Dr. Peterson und der Ernährungsberaterin?“ Melissa hielt den Tagesplan hoch. „Ja genau. Wir werden uns, nachdem wir bei Mr. Gibson waren, im Konferenzraum mit den anderen treffen. Du wirst dann dein Gespräch mit Dr. Peterson haben. Wir gehen von einer halben Stunde aus. Die Nächsten werden eine Stunde mindestens haben. Alexandra Jones wird dir dann einige Fragen stellen und mit dir einen Termin abstimmen, um mit dir einkaufen zu gehen. Vorher wird sie sich deinen Kühlschrank und die Vorräte ansehen. Du bekommst den Plan auf das Gesundheitsprofil abgestimmt, das Dr. Newman mit dir macht. Der ist im Anschluss dran. Blut abnehmen, Wiegen, Belastungstest. Zu ihm wirst du vor Abflug erneut gehen, um die Ergebnisse zu erfahren. Das ist der Grund, warum du eine Woche hierbleibst. Das Essen wird für die Zeit grob ausgerechnet und zusammengestellt.“ Melissa schluckte hart.
„Lass uns hochgehen, mein Chef wartet nicht gern.“ Beladen mit Unterlagen, ging Jenna vorneweg. Melissa wurde es fast schwarz vor Augen, als sie den Gang entlanglief. Vor ihr tauchte ein grauhaariger, großer Mann auf. Er war sicherlich schon in seinen Fünfzigern.
Er lächelte nur ganz leicht, es war kaum zu erkennen und reichte ihr seine Hand. Die Stimme war sehr tief und vibrierte über ihre Hand in den ganzen Körper. Stotternd stellte sie sich vor und lief ihnen dann schon fast ängstlich hinterher.
„Miss Keller, setzen Sie sich. Ich möchte Sie auch nicht lange aufhalten. Die Gespräche finden gleich statt und ich werde ausnahmsweise nicht anwesend sein, da ich wichtige Termine habe. Ich wollte mich nur Vorstellen und Sie kennenlernen. Ich hoffe, dass ihnen alle Fragen beantwortet wurden und Sie mit Tatendrang an die Sache herangehen werden.“ Melissa konnte ihm kaum folgen. Er redete schnell und hatte einen feinen, englisch-schottischen Akzent. Sie konnte die Sprache zwar sehr gut, aber es gab immer noch, aussprachen, die sie schwer verstand. „Vielen Dank, ja mir wurden die ersten Fragen zur vollen Zufriedenheit beantwortet. Ich bin nur sehr nervös, schließlich wurde ich noch nie von Kameras verfolgt.“ Sein Bass bebte, als er lachte. „Verfolgen würde ich das nicht nennen, Sie werden von unseren Mitarbeitern für die passenden Takes vorbereitet. Es wird abgesprochen, was und wo gefilmt wird. Es sind kurze Takes. Ausschließlich die Gespräche, werden fast komplett aufgezeichnet und später so geschnitten, dass es in die Sendezeit passt.“ Nun wurde ihr doch etwas schlecht. „Werden meine persönlichen Therapiegespräche auch aufgezeichnet?“ Irritiert sah Mr. Gibson zu Jenna, die nervös auf ihrem Stuhl herumrutschte. „Clark, haben Sie ihr nicht genauestens davon Bericht erstattet, wie das Filmen abläuft?“ „Nicht ganz Mr. Gibson.“ Ängstlich sah Melissa zu Jenna, die ihr nicht in die Augen sehen wollte. „Das heißt nun was?“, fragte sie nun ernst nach. „Miss Keller, wir werden alle Gespräche mitverfolgen und natürlich Aufnehmen.“
„Das war der Haken also. Warum steht das so nicht im Vertrag? Dort wurde nur festgehalten, das Teile der Gespräche gefilmt und veröffentlicht werden!“ Mr. Gibson merkte, dass hier gerade eine Sendezeit, und Tausende von Dollar, die sein Sender damit machen sollte, flöten gehen könnte, wenn er keinen Weg finden würde. Schmierig wie ein Aal sah er sie an. „Miss Keller, natürlich werden wir bei einem längeren Gespräch nicht eine geballte Stunde filmen, das kostet zu viel. Aber wir werden bei jedem dabei sein. Sie können dem Kameramann dann gern sagen, dass er gehen soll, wenn er fertig ist.“ Melissa kniff die Augen zusammen. Sie traute dem Braten nicht und würde sich dafür, definitiv etwas anderes überlegen. Wenn sie glaubten, sie würde einen Seelenstrip hinlegen, würden sie sich so was von täuschen!

Der Raum war warm und stickig. Melissa saß am geschlossenen Fenster und sah Jenna zu, wie sie auf ihrem Tablet wischte und sich immer wieder Notizen machte. Auf Melissas Stirn bildeten sich Schweißperlen und ihr Körper fühlte sich an, als würde er jeden Moment verbrennen. Die Poren in ihrem Gesicht öffneten sich spürbar und unter ihrer Bluse schien die Hitze immer größer zu werden. Gerade bereute sie, ihre Skinny Jeans angezogen zu haben. Denn trotz der Cuts fühlte sie sich wie in einem Saunaanzug. „Hast du was dagegen, wenn ich das Fenster aufmache?“, fragte sie dann irgendwann. Jenna blickte kurz auf und sah, wie rot Melissas Wangen waren. Zum Glück hatte sie sich gegen Make-up entschieden und nur ein paar Fake Lashes angeklebt. „Ich kann auch gerne die Klimaanlage anmachen, wenn du willst.“ Melissa nickte und lächelte zaghaft. Neben der Tür drehte Jenna an einem Schalter und wenige Augenblicke später, spürte Melissa, wie es kühler wurde.
„Danke Jenna, ich dachte, ich verbrenne jeden Moment!“ „Kein Problem! Beim nächsten Mal weißt du, wo der Regler ist.“ Wie hypnotisiert sah sich Melissa die Wasserflaschen an, die mittig auf dem ovalen Tisch standen. Sie waren beschlagen und kleine Wassertropfen liefen an den Seiten runter. Sie mussten kurz zuvor noch im Kühlschrank gestanden haben. In der Mitte des Tisches stand ein Blumengesteck in den Farben des Logos und wenn man ehrlich war, auch die Farben des hiesigen Football Teams, Philadelphia Eagles; Türkis und weiß.
Gerade als sie in ihrem Smartphone die Nachrichten von Zoe gelesen hatte, die es sich nicht nehmen ließ, ihr alles Gute zu wünschen und das sie auf einen sofortigen Anruf wartete, wenn sie im Hotel war, öffnete sich die Tür zum Konferenzraum und Mr. Gibson trat mit „dem Team“ herein. „Miss Keller, darf ich ihnen vorstellen? Dr. Newman, Miss Jones, Dr. Peterson und Mr. Cooper.“ Melissa rieb sich immer wieder die Hände an den Oberschenkeln ab und spürte, wie sich Panik in ihr breitmachte. Sie lächelte und gab jedem freundlich die Hand. Als sie die von Chris in ihrer spürte, verdreifachte sich ihr Herzschlag. Seine Augen leuchteten und er lachte sie an. So in real vor ihr stehend, sah er noch besser aus als im Fernsehen oder auf Fotos. „Hallo, ich bin Melissa.“ Mehr brachte sie bei bestem Willen nicht raus. „Freut mich“, lächelte er noch etwas breiter und legte seine Hände in die Hüfte. „Ich werde bei dem Gespräch nicht dabei sein können, ich habe noch ein wichtiges Meeting, aber Miss Clark hat alle Informationen.“ Mr. Gibson verabschiedete sich und schloss die Tür, nachdem der Kameramann eingetreten war.
Zurück an ihrem Platz, setzte sich Melissa und wartete darauf, dass Jenna den Ablauf erklärte, um ihr die Angst vor der Kamera zu nehmen. „Wie Mr. Gibson gerade erklärt hat, werde ich nun alle nötigen Informationen an sie weitergeben. Miss Keller wird ab sofort in unserem Format als Kandidatin teilnehmen und für ein Jahr von Ihnen betreut. Dr. Newman, wird heute noch die Erstuntersuchung vornehmen und wichtig für Mr. Cooper, den Belastungstest! Anschließend wäre es möglich, dass jeder von Ihnen Zeit für ein Gespräch mit ihr bekommt, um Termine abzusprechen, und den groben Überblick von dem, was im ersten Halbjahr auf sie zukommt. Ebenso wird Miss Keller Ihnen Vortragen was sie erwartet und was sie in der Vergangenheit getan hat. Dies wiederum wäre ebenfalls für Mr. Cooper und Dr. Peterson interessant.“
Dr. Newman lehnte sich etwas vor und erhob das Wort.
„Ich denke wir werden für uns die richtige Vorgehensweise finden. Wichtig ist für uns alle, zu wissen, wie die Gesundheit unserer Teilnehmerin aussieht!“ Alle nickten. Die Experten begannen damit, sich einen Fahrplan zurechtzulegen, zu überlegen was sie anstrebten und was für Melissa das Beste wäre. Melissa war nervös und bei all dem, was da gerade besprochen wurde, hatte sie das Gefühl, das das, was sie wollte, nicht berücksichtigt werden würde. Jetzt lag es an ihr, sie musste sich äußern, für sich einstehen. Sie musste sich nur vorstellen, sie würde sich mit Kunden unterhalten und ihr Werk verkaufen. Melissa räusperte sich kurz, während Jenna mit den anwesenden Profis sprach. „Ich weiß, dass ich mich in dem, was hier passiert, nicht auskenne, aber ich möchte direkt festhalten, dass mir die Sitzungen mit Dr. Peterson und der Sport mit Mr. Cooper wichtiger sind als Gespräche und besuche rund um die Ernährung. Die beiden haben oberste Priorität bei mir.“ Gerade als sie weiterreden und erklären wollte, mischte sich Alexandra Jones ein, die sichtlich empört war. „Verzeihen Sie, Miss Keller, aber wenn Sie Erfahrung in Sachen Ernährung hätten oder auch nur einen Hauch Ahnung, würden Sie nicht so aussehen und gerade bei diesem TV-Format mitmachen!“ In ihrer Stimme lag Verachtung. Ihr Unwissen Melissa gegenüber, machte sie zu einer von den Menschen, die immer geurteilt hatten, ohne Melissa zu kennen. „Sie Miss Jones, haben von mir genauso viel Ahnung, wie ich von dem Sport, den Chris macht!“ Jenna legte die Hand vor den Mund und Chris gluckste kurz auf. Alexandra hingegen schnappte ein paar Mal nach Luft, ehe sie sich wieder an Melissa wendete. „Bei diesem Übergewicht geht eine jahrelange, falsche und übermäßige Ernährung voraus, aus der Sie nur herauskommen, wenn …“ Weiter kam sie nicht mehr, da Melissa schon zum Gegenschlag ausholte. „Miss Jones, bei Allerliebe, aber sie Urteilen über mich, ohne je ein Wort mit mir gesprochen zu haben. Ich ernähre mich seit etwas über einem Jahr mehr als gesund!“ Sie legte ihr und allen anderen, ihren Ernährungsplan vor die Nase, den sie in den letzten Monaten verfolgt hatte. „Ich nehme nicht mehr wie 1650 Kalorien am Tag zu mir. Das ist ein Defizit von rund 500 Kalorien. Da ich kein Sport mache, also nur ein minimaler Erfolg auf lange Sicht. Wenn Dr. Newman mich untersucht hat und mir und auch Mr. Cooper, die von ihm empfohlenen Tageskalorien vorlegt, werden wir das dementsprechend anpassen. Da können Sie sich gerne einbringen! Aber ich lasse mir von Ihnen nicht schon vorher auf der Nase herumtanzen! Mein Körper sieht so aus, weil ich jahrelang all meinen Kummer mit Essen betäubt habe. Mobbing in der Schule, fehlende, wahre Freunde, Ehrlichkeit im Umgang mit mir. Ich habe die Trauer um meine verstorbene Mutter, damit verdrängen wollen. Ich habe seit meiner Kindheit, eine Essstörung entwickelt, die hier drin festsitzt!“ Sie tippte sich immer wieder gegen den Kopf. „Ich esse gesund. Wenig, aber wenn dann weißes Fleisch, viel Gemüse, Salate, viel Eiweiß, gute Fette und wenige, aber dafür gute Kohlenhydrate, wie sie lesen können. Nur wenn ich Panik bekomme, man mich enttäuscht, ich Angst, Trauer oder Einsamkeit spüre, bekomme ich einen Fressanfall, das ist mein Problem! Das ist es, warum ich das alles nicht loswerde! – Und die wenige Bewegung“, fügte sie hinzu und grinste Chris an. „Ich bin Melissa Keller, 34 Jahre aus Deutschland. Lebe seit einem Jahr in Boston, bin PR-Beraterin und gewillt dieses Projekt anzugehen und mit Erfolg abzuschließen, also helfen Sie mir und verurteilen Sie mich nicht!“ Sie knallte ihre Notizen auf den Tisch, stand mit einem über den Boden quietschenden Stuhl auf und verließ mit kochendem Blut den Raum. Jenna und Chris sahen ihr nach. Dr. Peterson machte sich Notizen und nahm auch Melissas an sich.
Dr. Newman nickte und verzog sein Gesicht zu einem feinen schmunzeln. „Ich denke, sie hat ihre Meinung dazu gesagt!“
Chris stand auf und verließ ebenfalls den Konferenzraum. Vor der Tür am offenen Fenster stand Melissa. Sie hielt sich am Fensterrahmen fest und atmete tief ein. Ihr Puls raste und die Panik Attacke war nicht mehr weit entfernt. Immer wieder musste sie sich in ihrem Leben schon gegen Menschen, wie diese Jones durchsetzen. Jedes Mal, wenn sie etwas wollte, wenn ihr jemand oder etwas wichtig war, wurde sie so behandelt. Sie wollte das nicht mehr und konnte es auch einfach nicht mehr. Chris schritt etwas näher an sie heran und räusperte sich kurz, damit sie ihn bemerkte. „Tolle Ansprache!“, lehnte er sich neben sie ans Fenster und verschränkte die Arme. „Danke! Aber das war nicht Mal Absicht. Sie hat nur einen wunden Punkt bei mir getroffen!“
„Das hat sie verdient! Ich habe die letzte Folge gesehen, da war sie auch dabei. Sie ist eine Hexe!“, flüsterte er ihr zu und lachte. Melissa kicherte und sah ihm in seine dunklen Augen. Ihre Knie wurden weich, weshalb sie sofort wieder aus dem Fenster sah. „Wir werden nun ein Jahr miteinander das Vergnügen haben. Das dürfte interessant werden!“
„Ach, sei doch ehrlich, du wirst mir den Arsch aufreißen und ich werde dich hassen!“ Beide fingen an zu lachen.
„Sagen wir so, ich hätte es netter ausgedrückt und ja, du wirst mich hassen!“ Gerade fiel ihr auf, dass sie ihn einfach geduzt hatte, und riss verlegen die Augen auf. „Sorry übrigens für das unerlaubte Du.“ Amüsiert legte er seine Hand auf ihre Schulter. „Schon okay, so wird es vielleicht ein klein wenig einfacher oder netter.“ Er lief den Gang entlang und drehte sich kurz vor der Tür noch einmal zu ihr um. „Wir sehen uns beim Mittagessen, viel Spaß mit Dr. New!“
Mit einem fetten Lächeln blieb sie zurück und zog an ihrer Bluse, um sich kühle Luft zuzufächeln. Plötzlich war ihr noch wärmer geworden.

MaLa

Mala Fauerbach

Autorin und alleinerziehende Mutter mit AuDHS.

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